20. Januar 2025
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In der Ausgabe 9/2024 (Dezember 2024) lesen Sie u.a.:

  • Wie Suchalgorithmen und KI unsere Wahrnehmung des Klimawandels beeinflussen
  • ChatGPT liefert häufig ungenaue Quellenangaben für Verlagsinhalte
  • Ein Jahrhundert LIS-Forschung:
    Entwicklung und Trends in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft –
    eine szientometrische Analyse
  • Metadaten als Schlüssel für Vertrauensbildung in der Wissenschaft
  • Journal Impact Factors: Wie ChatGPT wissenschaftliche Zeitschriften beurteilt
  • KI-gestützte Literaturübersichten:
    Der nächste Schritt in der Forschungsautomatisierung
  • Gemeinsamer Fahrplan für Open Research Information: Ein Blick auf das Treffen
    an der Sorbonne in Paris
  • MINT-Expertise im Bibliothekswesen: Chancen für Open Science
  • Die Vergänglichkeit des Digitalen: Cyberangriffe auf Bibliotheken und Archive bedrohen unser kulturelles Erbe
  • Bibliotheken als Orte des Lernens
    und der Meinungsfreiheit: Eine Balance
    zwischen Ruhe und Diskurs
u.v.m.
  fachbuchjournal

„Wa(h)re Wissenschaft“? –
Wie jährlich hunderttausende Fake-Publikationen produziert werden und Wissenschaft und Gesellschaft bedrohen

Kohlhammer veröffentlicht „Fake-Mafia in der Wissenschaft“ von Bernhard A. Sabel

Die Wissenschaft steht vor einer der größten Krisen ihrer Geschichte – welt-weit wird die Glaubwürdigkeit von Forschung und Wissenschaft von der massenhaften Produktion von Fake-Publikationen bedroht: Das konstatiert Bernhard Sabel in seinem neuen Buch. In „Fake-Mafia in der Wissen­schaft“ enthüllt der renommierte Wissen­schaftler und Autor die skrupellosen Machen­schaften einer gut organisierten „Fake-Mafia“, die mithilfe künstlicher Intel­ligenz und professioneller Täuschung wissenschaftliche Studien in großem Aus­maß fälscht und jährlich hunderttausende wissenschaftliche Pseudo-Artikel produziert.

Die Zahl an Falschmeldungen im Internet und in den Sozialen Medien nimmt seit Jahren zu, so die Landeszentrale für politische Bildung. Schnell und oft überaus professionell werden Desinformationen über den gesamten Globus verbreitet. Laut einer Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung sind 81 Prozent der Menschen in Deutschland der Ansicht, dass die Verbreitung von Falschmeldungen ein großes Risiko für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedeutet.1 Nun zeigt der Professor für Psychologie Bernhard Sabel mit seinem neuen Sach-buch: Selbst Wissenschaft und Forschung sind in großem Ausmaß von Fälschungen betroffen.

Bedrohung des weltweiten Wissens

Was sich liest wie der Plot eines packenden Thrillers ist laut Sabel bittere Realität: Unter dem Deckmantel von „Editing-Services“-Agenturen tarnen sich sogenannte „Papiermühlen“ als harmlose, jedoch raffinierte Dienstleister. Sabel beschreibt in seinem Buch, wie sich diese Unternehmen auf den gewerbsmäßigen Verkauf gefälschter wissenschaftlicher Publikationen spezialisieren – vollständig automatisiert und in industriellem Maßstab. Der Inhalt dieser Arbeiten basiert zumeist auf plumpen Fälschungen: Daten, Abbildungen und ganze Manuskripte werden ohne jegliche Experimente oder ernstzunehmende Forschung generiert und dann an skrupellose Wissenschaftler verkauft, die aufgrund der Entwicklungen des globalen Wissenschaftsbetriebs unter immensem Publikationsdruck stehen.

Die Auswirkungen dieser gefälschten Publikationen sind dramatisch, so der Autor. Denn die gefakten Ergebnisse fließen in das weltweite Wissen ein und schaffen eine verzerrte Grundlage für weitere Forschung. Dies führe zu nicht reproduzier-baren Experimenten, falschen medizinischen Behandlungen und fehlerhaften wirtschaftlichen Entscheidungen, deren Schäden potenziell enorm seien – und deren Ausmaß wir heute kaum absehen könnten. Laut Sabel schreckt die Fake-Mafia nicht zurück, durch hemmungslose Korruption, Manipulation, und Tricks ihr betrügerisches Geschäft in jährlicher Milliardenhöhe zu betreiben – und das unwissentlich finanziert durch den Steuerzahler.

Sabel legt unter Mitarbeit des Journalisten und Autors Armin Fuhrer die Funktions-weise eines profitablen Netzwerks der Täuschung offen: Hinter den gefälschten Publikationen stehen nicht nur die Papiermühlen, sondern auch Fake-Reviewer und -Redakteure sowie Herausgeber. Besonders alarmierend sei dabei die Rolle der Künstlichen Intelligenz (KI), mit deren Hilfe diese Agenturen schneller und effizienter als je zuvor arbeiten. „Die Folgen einer ungehemmten Entwicklung von KI, besonders wenn sich Fake-Wissenschaftler ihrer bedienen, können ebenso dramatisch wie vielfältig sein“, warnt Sabel. Es gehe nicht nur um die Verfälschung von Wissen, sondern um eine potenzielle fundamentale Bedrohung für zentrale Bereiche unserer Gesellschaft, wie das Gesundheitssystem, die Umwelt oder die nationale Sicherheit.

Sabels Buch ist ein Aufruf, jetzt zu handeln. Der Autor fordert die Wissenschaft, die Politik und die Gesellschaft dazu auf, sich der wachsenden Bedrohung durch diese „Wissenschafts-Mafia“ bewusst zu werden und entsprechende Maßnahmen zu er-greifen, um den Sumpf aus Täuschung und Fälschung trocken zu legen. „Fakten, auf die wir uns verlassen können, sind das Rückgrat unserer Wissensgesellschaft und heute im Zeitalter der Desinformation vielleicht wichtiger denn je“, sagt Leopold Freiherr von und zu Weiler, Geschäftsführer des Kohlhammer Verlags. „Das Buch von Bernhard Sabel ist ein Weckruf, der uns alle aufrütteln sollte. Denn die Integrität der Wissenschaft geht uns alle an.“

Bernhard A. Sabel, Fake-Mafia in der Wissenschaft.
KI, Gier und Betrug in der Forschung.
ISBN: 978-3-17-045557-3. 264 Seiten. 24 EUR.

www.kohlhammer.de