Offen ohne Ende

Die neue 24-Stunden-Bibliothek der Universität Karlsruhe


Abstract

Einführung
Konzeption
Planungsgrundlagen
Bauliche Struktur
Funktionen der neuen Bibliothek
24-Stunden-Betrieb
Technische Voraussetzungen
Nutzungsweise – die ersten sechs Monate
Organisatorische Veränderungen
Personelle Veränderungen
Fazit


von Herbert Kristen, Christoph-Hubert Schütte, Diana M. Tangen

Einführung

Ansicht von Nordwesten auf den
Westeingang vom Forum
 
Blick aus dem Kuppelrau in die Freihandgeschosse
Am 24. April diesen Jahres öffnete die neue 24-Stunden-Bibliothek der Universität Karlsruhe ihre Pforten. Zur Umwandlung der klassischen Magazinbibliothek in eine moderne Freihandbibliothek mit Öffnung rund um die Uhr wurden die Bibliotheksräume um 4000 qm Benutzungsfläche erweitert. In dem durch Brücken mit dem bisherigen Gebäude verbundenen Neubau sind der Eingangsbereich und drei der vier Fachlesesäle mit ausgedehnten Freihandzonen untergebracht. Erstmals wird in den Lesesälen die aktuelle Literatur der letzten 13 Jahre fachlich aufgestellt angeboten. Ebenfalls sind in den Fachlesesälen die laufenden Zeitschriften und der Präsenzbestand des vormaligen Lesesaals mit 14.000 Werken vorzufinden. Somit umfasst der heute angebotene Freihandbereich inklusive der bisherigen, unveränderten Lehrbuchsammlung ca. 300.000 Werke.

Die Anzahl an Lesesaalplätzen wurde mit insgesamt 1000 Angeboten vervierfacht und die Anzahl der PCs für die Benutzer mit 70 Computerarbeitsplätzen verdoppelt. Alle Arbeitsplätze sind mit Netz- und Internetanschluss für die benutzereigenen Laptops ausgestattet. Darüber hinaus wird vom Rechenzentrum der Universität ein Funknetz, das den gesamten Campus abdeckt, unterhalten.

Durch die Ausstattung der Bücher mit RFID-Etiketten, verbunden mit Buchsicherungsanlage, Selbstverbuchungsstationen und einem Buchrückgabeautomaten, können in der neuen Bibliothek auch nachts und feiertags Werke ausgeliehen bzw. zurückgegeben werden. In den Zeiten außerhalb der Anwesenheit des Stammpersonals kann das Haus nur mit einem gültigen Bibliotheksausweis betreten werden. Zu diesen Zeiten übernimmt die Wache der Universität, deren Zentrale in das Foyer des Bibliotheksneubaus verlegt wurde, die Aufsicht im Gebäude.

Konzeption

Ziel der neu eingerichteten 24-Stundenbibliothek war die Anpassung des bibliothekarischen Wissenstransfers für die Wissenschaftler und Studierenden an die gehobenen Anforderungen im weltweiten Wettbewerb. Neben der Umstellung des bisherigen Nutzungskonzepts waren hierzu auch bauliche und technische Anpassungen notwendig.

Ein langer Entwicklungsweg kennzeichnete dieses Projekt: Bereits wenige Jahre nach Bezug des 1966 fertiggestellten Altgebäudes der Universitätsbibliothek Karlsruhe zeichnete sich ab, dass infolge der dynamischen Entwicklung der Universität in den 70er Jahren das Gebäude der Universitätsbibliothek Karlsruhe zu klein geworden war. Das bestehende Gebäude wurde in den 50er Jahren geplant und als Hochhaus errichtet. Zur Zeit des Bezugs des Altbaus hatte die UB mit 17 Personalstellen bei einem Bestand von 150.000 Bänden rund 5.000 Studierende zu versorgen.

Über 22.000 Studierende und 3.500 Mitarbeiter der Universität in den 90er Jahren, sowie ein auf fast 1.000.000 Bände angewachsener Literaturbestand machten eine Erweiterung der bestehenden zwölfgeschossigen Magazinbibliothek dringend notwendig. Die Raumkapazitäten waren erschöpft, die Benutzungsbereiche überfüllt und die Lesesäle überbelegt.

Mit der Erweiterung der Bibliothek sollten folgende Ziele erreicht werden:

Nach mehr als 20 Jahren Antrags- und Vorbereitungszeit konnte 2002 mit dem Bau der Bibliothekserweiterung begonnen werden. Mit dem Neubau sollen die baulich bedingten Defizite der Vergangenheit überwunden sowie eine leistungsfähige Informationsinfrastruktur geschaffen werden, die den Anforderungen der Zukunft entspricht und weit über die Leistungen einer konventionellen Bibliothek hinausgeht.

Die realisierte Erweiterung um 4000 qm bedeutet eine Verdreifachung der Benutzungsfläche, die Zahl der Leseplätze erhöht sich von 270 auf 1000 und die Zahl der Freihand angebotenen Bände von 100.000 auf 300.000, d.h. 90% des regelmäßig genutzten Bestandes.

Planungsgrundlagen

Mit der baulichen Entwicklung der Universität Karlsruhe in den 50er und 60er Jahren nach Nordosten erhielt der Bereich um Bibliothek, Mensa, Studentenhaus, altes Stadion und Haupteinfahrt der Universität trotz der peripheren Lage eine besondere Bedeutung. Dieser Teil der Universität hat sich im Laufe der Jahre zu dem am stärksten frequentierten Ort auf dem Campus entwickelt. Ein neues, funktionstüchtiges Forum der Universität war zu schaffen.

So wurde 1984 ein Ideen- und Realisierungswettbewerb für die Erweiterung der Mensa und Universitätsbibliothek ausgeschrieben. In diesem Wettbewerb stand neben dem notwendigen Bedarf an Mehrflächen die städtebauliche Neuordnung und Arrondierung für das neue Forumsareal im Vordergrund. Durch Einfügen von neuen Baukörpern unter Einbeziehung des alten Gebäudebestandes sollte ein Zentrum für Ausbildung, Information, Kultur, Versorgung und Erholung entstehen.

Aus diesem Wettbewerb ging Prof. Heinz Mohl aus Karlsruhe als Sieger hervor. Er erhielt den Auftrag, die Mensaerweiterung als ersten Schritt zu realisieren. Die Erweiterung der Universitätsbibliothek wurde vorerst mit einer Vorplanung abgeschlossen.

Die Mensaerweiterung im Jahr 1988 schuf zusammen mit dem Altgebäude einen geschützten und belebten Platz in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bibliothek. Studentenhaus und Altes Stadion blieben trotz intensiver Umnutzung ohne äußere Veränderung erhalten. Das in dem damaligen Wettbewerb nicht enthaltene, 2002 realisierte Auditorium Maximum folgt durch die Nähe zu Bibliothek und Mensa der Philosophie der baulichen Konzentration von zentralen Einrichtungen am heutigen Forum der Universität.

Der letzte Baustein dieses neuen Forums war die Bibliothekserweiterung. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse wurde sie als viergeschossiger, ca. 90 m langer Gebäuderiegel geplant, der sich entlang der Haupteinfahrt der Universität orientiert. Damit konnte einerseits der Erweiterungstrakt direkt an das vorhandene Bibliotheksgebäude angebunden werden. Andererseits blieb der Mensahof von der Bebauung unberührt, und es gelang so die enge Nutzungsverflechtung des Neubaus mit den unteren vier Ebenen des Altbaus. Bibliothekserweiterung und altes Gebäude konnten als funktionales Ganzes geplant werden.

Der der Mensa zugewandte Außenbereich des neuen Baukörpers wurde mit dem Mensahof verbunden und zu einem zentralen Freiraum ausgebaut. Die der Universitätseinfahrt zugewandte Seite formt den Hauptzugang der Universität deutlich aus: Die Bibliothek wurde zum Portal der Universität.

Bauliche Struktur

Ansicht von Osten auf den Altbau und Neubau

Das neue Gebäude bietet in seinen drei Obergeschossen großzügige, zusammenhängende Flächen, die es erlauben, die Buchbestände übersichtlich zu präsentieren und angenehme Leseplätze einzurichten. Durch innere Lichthöfe ergeben sich helle, lichtdurchflutete Lese- und Arbeitsräume, die den Studierenden ein anregendes Ambiente bieten. Dies lässt sich auch deutlich an der Fassadenordnung ablesen: In drei Geschossebenen wurden die Nutzungszonen der Buchaufstellung hinter geschlossenen Mauerwerksflächen, die Arbeitsplätze hinter großzügigen Fensteröffnungen platziert.

Die Tragstruktur des Gebäudes, entwickelt aus einem inneren Stützraster mit tragenden Außenwänden, auf denen die Geschossdecken aufliegen, entspricht einem unkomplizierten und wirtschaftlichen Prinzip. Statische Fixpunkte im Inneren bilden zwei Kernräume mit Treppenhäusern, Aufzügen und Versorgungsschächten. Rund 7000 m Kabel wurden im neuen Gebäude verlegt. Durch die Wahl eines Doppelbodens kann zukünftig auf Veränderung der Technik reagiert werden.

Um die Betriebskosten gering zu halten, wurde auf eine konventionelle Klimatisierung verzichtet. Durch die Kopplung einer Kühldecke in Form eines wasserdurchflossenen Rohrsystems mit einer elektronisch gesteuerten Fensterlüftung ist ein angenehmes Klima gewährleistet. Durch eine intelligente Planung konnte die haustechnische Zentrale für Alt- und Neubau im Untergeschoss des Altbaus zusammengefasst werden.

Funktionen der neuen Bibliothek

Der viergeschossige Neubau ist klar strukturiert: Das Erdgeschoss mit seinen zwei an der Ost- und Westseite gelegenen Eingängen nimmt Leihstelle, Auskunft, Zentrale der Wache, Selbstverbuchung und automatische Buchrückgabe, Kaffeeecke sowie Informationspunkt für Besucher der Universität auf. Hier wird informiert, beraten, verbucht und kommuniziert. Garderobenschränke, Nassräume, die zentrale Poststelle und weitere Betriebsräume wurden im Untergeschoss untergebracht.

Die drei Obergeschosse beherbergen drei baulich identische Lesesäle von jeweils knapp 1000 qm. Die Aufteilung der Bestände erfolgt nach Fachgruppen. Der Fachlesesaal Wirtschaft und Informatik im 1. OG, der Fachlesesaal Technik im 2. OG und der Fachlesesaal Geisteswissenschaften im 3. OG. Ein vierter Lesesaal Naturwissenschaften befindet sich im Altbau.

Jeder der vier Lesesäle bietet Platz für ca. 80.000 Bände und ca. 250 Leseplätze. Hier werden Monographien und Zeitschriften zu den einzelnen Fächern in fachlicher Aufstellung ab 1993 präsentiert. In der Endbelegung werden die Fachlesesäle die Literatur der letzten 20 Jahre in Freihandnutzung anbieten. Dies entspricht ca. 90% der Ausleihen. Der ältere Bestand befindet sich im Magazin des Altbaus und muss bestellt werden.

Benutzerarbeitsplätze im Freihandbereich
Die Arbeitsplätze mit einer Tischgröße von immerhin 70 cm x 110 cm bieten ausreichend Arbeitsraum für Studierende. Jeder Arbeitsplatz verfügt über Strom- und Datenanschluss, so dass problemlos mit eigenen Laptops gearbeitet werden kann. Nach einer Umfrage des Rechenzentrums verfügen etwa 90% der Studierenden über einen eigenen Laptop. Zusätzlich sind alle Räume der Bibliothek funkvernetzt. Dementsprechend konnte das Angebot von öffentlichen PCs in den Lesesälen begrenzt werden. Pro Lesesaal stehen 10 PCs mit Druckmöglichkeit zur Verfügung. Hier können alle elektronischen Angebote der Bibliothek und das Internet genutzt werden. Die Ausdrucke werden über das Ausleihkonto der Benutzer abgerechnet.

Die bisherige Buchförderanlage der Firma Telelift wurde in den Neubau erweitert, so dass die Leihstelle und alle Lesesäle mit Büchern beliefert werden können.

Alt- und Neubau sind durch Übergänge miteinander verbunden und können so wie geplant als Einheit betrieben werden. Mit den neu hinzugekommenen 4000 qm stehen jetzt 6500 qm Nutzfläche allein für den Benutzungsbereich zur Verfügung.

Die neuen, baulichen Gegebenheiten erforderten eine Neugruppierung und teilweise Verlagerung der Benutzungsfunktionen im Altbau:

Das EG des Altbaus mit Eingangsbereich, Garderobe, Ein- und Ausgangsschalter, Abholregal sowie Teile der Lehrbuchsammlung wurden komplett neu geordnet. Der Eingangsbereich wurde zurückgebaut. Zwei Eingänge im Neubau machten ihn überflüssig. Die Garderobe wurde in das UG des Neubaus verlagert. Ein- und Ausgangsschalter wurden zurückgebaut, Selbstausleihe bzw. Rückgabeautomat übernehmen ihre Funktionen. Abholregale und Lehrbuchsammlung behielten ihren Platz. Die gewonnenen Flächen dienten der Erweiterung der Lehrbuchsammlung.

Im 1.OG des Altbaus befanden sich Leihstelle, Auskunft, weitere Teile der Lehrbuchsammlung und öffentliche Internet-PCs. Leihstelle und Auskunft fanden im EG des Neubaus ihren neuen Platz, so dass die frei gewordenen Flächen nach der Renovierung des Altbaus für abgeschlossene Gruppenarbeitsräume zur Verfügung stehen.

Die Internet-PCs wurden in den Lesesälen platziert.

Der Lesesaal im 2. OG des Altbaus bleibt als Lesesaal erhalten, aber seine alte Funktion als Monographienlesesaal mit ausschließlichem Präsenzbestand hat sich geändert: Heute ist er Fachlesesaal Naturwissenschaften mit den dazugehörigen Zeitschriften, ausleihbaren und präsenten Monographien. Dazu mussten Leseplätze abgebaut und neue Regale errichtet werden. Baulich ist er noch im alten Zustand, er wird im Zuge der Renovierung des Altbaus modernisiert werden.

Der Zeitschriftenlesesaal im 3. OG des Altbaus wurde aufgelöst und der Zeitschriftenbestand auf die Fachlesesäle in Alt- und Neubau verteilt. Nach Umbau und Renovierung wird dieses Stockwerk das Zentrum für audiovisuelle Wissenschaftskommunikation und weitere Arbeitsplätze enthalten.

24-Stunden-Betrieb

Die neue Bibliothek hat an sieben Tagen der Woche 24 Stunden geöffnet. Für die Nacht und Wochenendstunden sollte kein zusätzliches Personal eingesetzt werden. Der Betrieb wird mit Selbstverbuchung bzw. Rückgabeautomat, Buchsicherung und Wachpersonal gewährleistet. Eine fachliche Beratung in den Nachtstunden ist nicht möglich. Somit ergibt sich folgende Struktur des Benutzungsbetriebs:

Im Tagbetrieb ist der Zugang zur Bibliothek für jedermann frei. Im Nachtbetrieb ist der Aufenthalt in der Bibliothek nur Personen mit gültigem Bibliotheksausweis gestattet.

Zu dieser Zeit sind die Türen der Bibliothek verschlossen. Sie können nur mit dem Bibliotheksausweis zum Betreten geöffnet werden. Elektronische Kartenleser an den Türen geben den Zugang über Drehtüren frei. Als Bibliotheksausweis dient die Chipkarte der Universität, die für die Bibliothek freigeschaltet werden muss. Gäste bekommen für einmalig 7 € eine Gästekarte.

Durch Verlagerung der Nachtwache der Universität in die Bibliothek musste kein zusätzliches Personal eingestellt werden. Die gesamte technische Einrichtung der Nachtwache wurde in das Foyer der Bibliothek verlagert. Zwei Personen der Nachtwache sind ständig in der Bibliothek anwesend. Sie unterstützen den Nachtbetrieb, sie machen regelmäßige Kontrollgänge durch die Bibliothek und sind Ansprechpartner für einfache Auskünfte. Zu den Aufgaben der Wache gehört auch die Überwachung der Buchrückgabestation und der Austausch der vollen Behälter.

Zur Unterstützung des Wachdienstes ist der öffentliche Bereich der Bibliothek videoüberwacht. Die Steuerung mit den dazugehörigen Bildschirmen befindet sich in der Wachzentrale. Hier sind virtuelle Rundgänge mit Hilfe der Videokameras durch die Bibliothek möglich.

Wegen des Datenschutzes werden die Kamerabilder im Normalfall nicht aufgezeichnet. Auflagen der Datenschützer erlauben nur "anlassbezogene" Aufzeichnungen. In der gesamten Bibliothek sind Notknöpfe installiert, die von Benutzern im Notfall betätigt werden können. Wird ein Notknopf gedrückt, steuert die nächstgelegene Kamera den Alarmbereich an und die Bilder werden aufgezeichnet. Gleichzeitig wird in der Wache ein Alarm ausgelöst.

Technische Voraussetzungen

Automatische Ausleihe:
Um den Ausleihbetrieb auch während des Nachtbetriebs zu gewährleisten, wurde das vorhandene Ausleihsystem durch Selbstverbuchung, automatische Buchrückgabe und Buchsicherung erweitert. Eingesetzt wird das System der Firma BIBLIOTHECA RFID Library Systems AG.

Die Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit dieses System ist die Ausstattung aller Medien mit RFID-Etiketten. Das Etikett beinhaltet eine sehr flache Antenne und einen programmierbaren Chip. Beide sind mit einer dünnen Papierschicht umgeben. Das Etikett wird direkt im Buchdeckel oder auf der Oberfläche audiovisueller Medien (Rundetiketten) befestigt. Für die Medienverbuchung oder andere Vorgänge aktiviert ein Lesegerät per Funk die Übertragung kodierter Informationen, wie zum Beispiel die Mediennummer vom Chip unmittelbar zum Ausleihsystem.

Selbstausleihe:
Am Selbstbedienungsterminal weist sich der Besucher mit seinem Bibliotheksausweis, der auf ein Lesegerät gelegt wird, aus. Dann legt er seine Medien im Stapel zur Verbuchung auf die Oberfläche unterhalb des Terminals. Die Medien werden nun alle auf dem Bildschirm des Selbstverbuchers aufgelistet. Mit Touch Screen Befehlen kann der Besucher selbstständig ausleihen. Abschließend wird ein Fristzettel über die ausgeliehenen Medien gedruckt.

Buchrückgabe:
Der Rückgabeautomat ist im Eingangsbereich vor den Sicherungsgates installiert. Der Benutzer muss sich bei der Rückgabe nicht erst ausweisen. Er legt die Bücher einzeln in den dafür vorgesehenen Schacht. Die Buchnummer wird berührungslos eingelesen und das Medium zurückgebucht. Medien, die das System nicht erkennt, werden nicht angenommen, z.B. Bücher anderer Bibliotheken. Nach Beendigung des Vorgangs wird eine Rückgabequittung ausgedruckt. Die Rückgabe ist mit einem Sortiersystem gekoppelt, das die Bücher nach Standorten sortiert und vorgemerkte Bücher in einem gesonderten Korb sammelt.

Buchsicherung:
Jeder Besucher betritt und verlässt die Bibliothek durch einen Durchgangsleser, den so genannten BiblioGates. Im Gegensatz zu den herkömmlichen EAS Systemen (elektronische Medienüberwachung) wird jedes einzelne Medium, das nicht korrekt ausgebucht wurde, mit der Mediennummer identifiziert. In diesem Fall wird ein Alarm ausgelöst und die Ausgangstüren kurzfristig blockiert.

Nutzungsweise – die ersten sechs Monate

Mittlerweile ist die 24-Stunden-Bibliothek ein halbes Jahr lang in Betrieb und es konnten erste Erfahrungen gesammelt werden. Vor allem überrascht wurden wir durch den massiven Anstieg der Besucherzahlen seit der Eröffnung. Einhergehend mit der Verlängerung der Öffnungszeiten von früher 53,5 Stunden auf 168 (7 x 24) Stunden pro Woche verzeichnen wir mit 25.000 bis 30.000 Besuchern pro Woche in der Nutzung eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr. In prüfungsintensiven Zeiten besuchen bis zu 35.000 Benutzer die Bibliothek. Im Schnitt sind das 3000 Besucher tagsüber zwischen 9:00 Uhr und 19:00 Uhr sowie nochmals 1000 Besucher nachts zwischen 19:00 Uhr und 9:00. Es kam bisher zu keinerlei Beeinträchtigung des nächtlichen Betriebsablaufs. Dies ist vielleicht bedingt durch die rege Betriebsamkeit während der gesamten Nacht verbunden mit der Aufmerksamkeit des Wachpersonals. Denn weder das umfassende Sicherheitssystem mit über 100 Notrufknöpfen, bzw. -telefonen und einem abgestimmten Videoüberwachungssystem wurde bisher aktiviert, noch musste die Wache massiv eingreifen. Auch Vandalismus, Diebstahl von Büromaterial auf den Auskunftstheken in den Lesesälen oder anderes Fehlverhalten traten zu Nachtstunden bisher nicht auf.

Das durchschnittliche Besucherverhalten im Tagesverlauf sieht etwa folgendermaßen aus:

Die Inanspruchnahme der Bibliothek steigt ab 9:00 Uhr mit Beginn der regulären Arbeitszeit des Bibliothekspersonals und der Bereitstellung sämtlicher Bibliotheksdienstleistungen an. Der Höchststand der Auslastung ist zwischen 12:00-15:00 Uhr erreicht. Danach flacht die Besucherfrequenz wieder ab, um erneut nach 19:00 Uhr, wenn das Bibliothekspersonal das Haus bereits verlassen hat, wieder anzusteigen. Die meisten Abendarbeiter verlassen gegen Mitternacht das Gebäude, so dass zwischen 1:00 Uhr und 4:30 Uhr noch ca. 5-10 Personen übrigbleiben, die weiterhin lesen und lernen. Aber um 4:30 Uhr kommen schon die ersten Frühaufsteher, so dass in der Bibliothek bis um 7:00 Uhr, wenn das erste Bibliothekspersonal eintrifft, bereits reger Betrieb herrscht. Am Wochenende erfolgt der Anstieg der Besucherzahlen erst gegen 11:00 Uhr und schwächt sich gegen Nachmittag wieder ab. Ein erneuter Anstieg gegen Abend ist meist nicht zu beobachten. Die Nutzung ist allerdings am Sonntag fast doppelt so intensiv wie am Samstag. Insgesamt besuchen ca. 3000 Personen am Wochenende die Bibliothek.

Die Ausleihzahlen von ca. 600.000 Werken pro Jahr erhöhten sich nicht signifikant, obwohl drei mal mehr Benutzer das Haus frequentieren. Infolgedessen wird unser Konzept, ein modernes Informations- und Kommunikationszentrum innerhalb der Universität zu schaffen, von den Studierenden angenommen. Es wurden neue Nutzerschichten erschlossen. Zu den Bibliotheksbesuchern, die einen ruhigen Arbeitsplatz zum Lernen benötigen, die aber die Lesesaalbestände nur bei Bedarf konsultieren und sie nicht explizit ausleihen, gesellten sich diejenigen, die die Bibliothek als neuen Treffpunkt auf dem Campus nutzen, der hell erleuchtet alle einlädt.

Statistik über die Besucherzahlen pro Woche von April 2006 bis Oktober 2006 im Vergleich zu 2005

Organisatorische Veränderungen

Die bisher im geschlossenen Magazin in verschiedenen Stockwerken verteilten, nach Numerus currens aufgestellten Bücher ab 1993, sowie der alte Präsenzbestand des ehemaligen Lesesaals, mussten umgezogen und nach unserer hauseigenen Aufstellungssystematik neu sortiert werden. Dabei wurden die 42 Fachgruppen auf die vier Lesesäle neu verteilt. Die Bände aller laufenden Zeitschriften bis 1993 zurück wurden ebenfalls den neuen Fachlesesälen zugeordnet und dort an zentraler Position im Block aufgestellt.

Da alle umzuziehenden Bücher schon mit Lesesaalschildern sowie RFID-Etiketten ausgestattet waren, konnten sie ohne Ausstattungsaufwand an den neuen Standort überführt werden. Dennoch musste jedes Buch, bevor es an seinen Endstandort kam, im Ausleihsystem dem jeweiligen neuen Standort zugeordnet werden. Die Buchnummern wurden mittels RFID-Antennen in jedem Lesesaal erfasst und anschließend ins Ausleihsystem überspielt. Während des Umzugs wurde jeder Band mehrmals umsortiert, bis er seinen endgültigen Platz einnehmen konnte.

In den Lesesälen entstand durch die Neuaufstellung nun eine veränderte Situation für die Nutzer, da jetzt neben dem nicht ausleihbaren Bestand an Präsenzexemplaren, die mit einem roten Schild "NICHT VERLEIHBAR" gekennzeichnet sind, ein Drittel der gesamten ausleihbaren Werke der Bibliothek den Nutzern nun direkt zugänglich sind. Anfänglich hatten die Benutzer mit der Umstellung Probleme, da im alten Lesesaal vor dem Umzug nur ein Präsenzbestand vorhanden war. Mittlerweile haben die Studierenden sich an ihr großes Ausleihangebot gewöhnt und machen davon regen Gebrauch.

Ein kleines – aber ärgerliches – Problem stellt das veränderte Nutzerverhalten bei der Belegung der 419 Garderobenschränke dar. Während früher die Schränke nur zu den Öffnungszeiten der Bibliothek benutzt werden durften, erfolgt jetzt eine Dauerbelegung, so dass keine freien Schränke mehr vorzufinden sind. Dem wird in Zukunft dadurch Abhilfe geschaffen, dass die Schlüssel eingesammelt, mit einem RFID-Anhänger ausgestattet und bei der Ausgabe direkt auf das Konto des Benutzers verbucht werden. Die Leihfrist beträgt 24 Stunden. Gibt der Benutzer seinen Garderobenschlüssel nicht pünktlich ab, drohen drastische Mahngebühren. So können Tagesgäste, die nicht mit Sack und Pack in die Lesesäle wollen oder Studierende, die zum Mittagessen ihren Laptop einschließen wollen, dieses Angebot auch nutzen.

Personelle Veränderungen

Da der Personalstand der Universitätsbibliothek bei der Umwandlung zur 24-Stundenbibliothek nicht erhöht wurde, mussten die zur Verfügung stehenden Personalstellen umorganisiert werden. Die durch die Selbstbedienung und Automatisierung bei der Ausleihe und Verbuchung freigewordenen Arbeitskapazitäten wurden einerseits in die Betreuung der zusätzlichen Lesesäle umgeschichtet, andererseits zum Rückstellen der Bestände eingesetzt. Es zeigte sich, dass mit der veränderten Einsatzsituation des Personals die neuen Aufgaben weitgehend reibungslos bewältigt werden können. Allerdings gibt es nun andere Bereiche, wie z.B. die auswärtigen Bibliotheksdienstleistungen, die jetzt weniger intensiv betreut werden können. So fiel die Universitätsbibliothek Karlsruhe beim Subito-Ranking von Platz 9 auf Platz 27, weil sich die Bearbeitungszeit der eingegangenen Aufträge verlängert hat. Hier stößt die zur Verfügung stehende Personalstärke an ihre Grenzen.

Deutlich nachgebessert werden musste am externen Putzdienst, der sowohl personell als auch organisatorisch umstrukturiert wurde. Besonders die sanitären Anlagen leiden unter dem enormen Besucheransturm. Da wir keine Schließzeiten mehr haben, gibt es auch keine ideale Zeitraum für geräuschintensive Reinigungsprozeduren, wie beispielsweise das Staubsaugen, das jetzt um 6:00 Uhr früh beginnt, um die Störungen auf ein Minimum zu beschränken.

Fazit

Die anhaltend hohen Besucherzahlen unterstreichen eindrucksvoll die Attraktivität des modernen Bibliotheksangebots in einem repräsentativen Umfeld. Entgegen vieler Bedenken, hat sich die 24-Stunden-Bibliothek von Anfang an in der Universität etabliert und wird auch in den Nachtstunden und am Wochenende gut angenommen. Ein Viertel der Benutzer, ca. 1000 Besucher am Tag, kommen zwischen 19:00 und 09:00 Uhr in die neue Bibliothek. Am Wochenende findet 10 % der Benutzung statt, vor allem der Sonntag erfreut sich bis in die späten Nachtstunden großer Beliebtheit.

Die angebotenen Dienstleistungen, wie die automatisierte Ausleihe und Rückgabe, funktionieren reibungslos. Die Benutzer kommen in den Nachtstunden auch ohne Fachpersonal zurecht. Die anwesende Wache reicht für die Aufrechterhaltung des Betriebes aus. Bisher kam es zu keinem ernsthaften Fehlverhalten der Benutzer.

Nach sechs Monaten Betrieb ist die neue Bibliothek zu einem wichtigen zentralen Ort der Universität geworden. Die Sanierung des alten Gebäudes und der Umbau, auch zum Zentrum für audiovisuelle Wissenschaftskommunikation, schreitet voran und wird in ein bis zwei Jahren beendet sein. Die im Zuge der gestiegenen Anforderungen an modernes Lernen angepasste Bibliotheksnutzung ist Teil des universitären Elitekonzepts, das ja bereits bundesweite Anerkennung gefunden hat.


Zu den Autoren

Dipl.-Ing. Christoph-Hubert Schütte ist Leitender Direktor der Universitätsbibliothek Karlsruhe

Universitätsbibliothek Karlsruhe
Postfach 6920
D-76949 Karlsruhe
E-Mail: schuette@ubka.uni-karlsruhe.de

Dr. rer.nat. Herbert Kristen ist 1.Stellvertreter des Direktors und Leiter der Benutzung

E-Mail: kristen@ubka.uni-karlsruhe.de

Dipl.-Biol. Diana Maria Tangen ist Fachreferentin und stellvertr. Leiterin der Benutzung

E-Mail: tangen@ubka.uni-karlsruhe.de

Thilo Mechau hat die Architekturfotos erstellt und ist Fotograf am

Institut für Baugestaltung
Universität Karlsruhe
Tel.: (0721) 608-3737