19. März 2024

„Knowledge Unlatched ist der bessere DEAL“

Dr Sven Fund, Managing Director, Knowledge Unlatched

b.i.t.online: Herr Fund, Knowledge Unlatched (KU) bietet 2017 erstmals an, auch Zeitschriften Open Access verfügbar zu machen. Wie genau sieht das Angebot aus?

Sven Fund: Richtig, nach drei Bieterrunden mit Büchern renommierter Verlage, die wir mit Hilfe von Bibliotheken weltweit Open Access verfügbar gemacht haben, sind 2017 auch 21 Zeitschriften aus den Geistes- und Sozialwissenschaften dabei. Wir freuen uns, dass wir Verlage wie John Benjamins, Berghahn, Brill, De Gruyter, MDPI, Peter Lang und Sage als Partner gewinnen konnten, an dieser pledging-Runde teilzunehmen. Wenn wir dann ab 2018 auch Bücher wie Zeitschriften aus den Naturwissenschaften zu KU hinzunehmen, sind wir so etwas wie ein Vollsortimenter für Open Access geworden.

b.i.t.online: Nach welchen Kriterien haben Sie die Zeitschriften ausgewählt?

Sven Fund: Das machen nicht wir, sondern über 40 Bibliothekare, allesamt Experten in ihren Fächern. Sie prüfen die Titel aus Qualität und Relevanz und entscheiden, welche Zeitschrift es in das Angebot schafft und welche nicht. Und dann entscheiden natürlich die Erwerbungsabteilungen der Bibliotheken in aller Welt, die KU unterstützen, ob sie die Verfügbarkeit der Titel im Open Access fördern wollen.

b.i.t.online: Wie verhindern Sie double dipping, also das doppelte Bezahlen für Inhalte, einerseits im Open Access und andererseits in den klassischen Abos und „big deals“ der Verlage?

Sven Fund: Double dipping ist für uns eine der zentralen Herausforderungen beim Übergang von klassischen Erwerbsformen zu Open Access. Alle Verlage, die an Knowledge Unlatched teilnehmen, haben vertraglich zugesichert, ihre Kunden, seien es Bibliotheken oder Konsortien, über die Teilnahme der Zeitschriften an KU transparent zu informieren. Zudem sind alle Titel auf unserer Website unter http://knowledgeunlatched.org/ku-select-2017-journals einsehbar. Und wenn alle Stricke reißen, erstatten die Verlage gegebenenfalls zu viel erhobene Einnahmen an ihre Kunden zurück.

Und natürlich beraten wir Bibliotheken gern, wie Einzelabonnements oder auch Konsortialabschlüsse, zum Beispiel im Rahmen der deutschen Allianzlizenz, in eine Teilnahme an Knowledge Unlatched überführt werden.

b.i.t.online: Double dipping ist also unter Kontrolle?

Sven Fund: Genau, zumal es ja eigentlich ein gutes Zeichen ist. Wir wissen, dass einige Bibliotheken einen Großteil der Buchtitel, die wir über KU im Open Access verfügbar machen, ohnehin gekauft hätten. Das ist gut, Knowledge Unlatched bindet also kein Budget mit Titeln, die die Welt nicht braucht, sondern hilft aktiv beim Umschichten aus der klassischen in eine zeitgemäßere Erwerbung, die eben auch Open Access ermöglicht.

b.i.t.online: Die Diskussion um DEAL derzeit wirft ja unter anderem die Frage der Vereinbarkeit von Open Access und traditionellen Verlagsgeschäften auf: Wie sehen Sie das Neben- und Miteinander verschiedener Geschäftsmodelle in der Zukunft?

Sven Fund: Ich meine, dass trennscharfe Modelle wie das von Knowledge Unlatched einerseits und seinen Verlagspartnern andererseits transparent und damit kundenfreundlich sind. DEAL verstehe ich nicht so recht, es erscheint mir eher wie eine Fortsetzung des Big Deals über Geschäftsmodelle und Medienformen hinweg. Das mag in den Verhandlungen mit einigen Großverlagen Sinn machen und Kostendämpfung bringen. Für kleine und mittlere Verlage scheint es mir kein probates Mittel zu sein.

b.i.t.online: Open Access hat sich zu einem ernsthaften Modell für viele Verlage entwickelt. Wo liegen die Herausforderungen der nächsten Jahre?

Sven Fund: Ja, Open Access ist erwachsen geworden. Gleichwohl bleiben gravierende Herausforderungen. Nach meinem Eindruck sind jetzt vor allem Bibliotheken gefordert, damit nennenswerte Budgets aus der klassischen Erwerbung in neue Modelle umgewidmet werden. Auf Seiten der OA-Initiativen gibt es noch immer sehr viele unterschiedliche Ansätze, und die erleichtern nicht das Verständnis. Darauf haben wir bei Knowledge Unlatched reagiert, indem wir unsere Infrastruktur und das weltweite Vertriebsteam gezielt anderen öffnen. So können Bibliotheken künftig effizienter mit Informationen versorgt werden. Zugleich verausgaben sich kleine, unterstützenswerte Initiativen nicht in der Duplizierung bereits vorhandener Strukturen und können sich auf ihre inhaltlichen Kernaufgaben konzentrieren.

b.i.t.online: Besten Dank für das Gespräch