INTERVIEW
Der schnelle Schub in Richtung Digitalisierung
Wie die Corona-Pandemie ein Umdenken in Bibliotheken fördert und dem Buchhandel neue Wege öffnet
Ein kontaktloses Sommersemester 2020: Das stellt viele Bibliothekarinnen und Bibliothekare an Universitäten und Fachhochschulen vor eine besondere Herausforderung. So muss der digitale Wandel aufgrund geschlossener Bibliotheken plötzlich viel schneller als geplant vollzogen werden. Gleichzeitig schnüren viele deutsche und internationale Verlage besondere Angebote für E-Books und Datenbanken, bei denen es gilt den Überblick zu behalten. Inmitten dieses Umdenkprozesses stehen Bibliotheksdienstleister wie Schweitzer Fachinformationen.
b.i.t.online hat mit Thomas Dohme, Programmleitung Bibliotheken, und Torsten Andrich, Vertriebsleitung Bibliotheken, über die Herausforderungen in der COVID-19-Pandemie gesprochen.
Die Corona-Virus-Pandemie hat beispiellose Auswirkungen auf das Leben und Arbeiten in Deutschland. Wie bewältigt Schweitzer Fachinformationen die derzeitige Krise?
Thomas Dohme: Die Schließungen der wissenschaftlichen Bibliotheken, die verhängten Lieferstopps und der Rückgang von Apart-Bestellungen – all diese Entwicklungen sind auch bei uns deutlich zu spüren. Aufgrund unserer hohen Zahl an Abonnements sind wir wirtschaftlich jedoch weniger stark betroffen als andere Buchhändler. Das schafft eine gewisse Stabilität und Sicherheit, auch in die Krisenzeiten wie diesen. Die Kolleginnen und Kollegen aus der Fortsetzungs-, Bestell- und Logistikabteilung sind nach wie vor jeden Tag vor Ort, um die Wareneingänge aus der Verlagsauslieferung zu verarbeiten und zu verschicken.
… und Ihre übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten vom Home-Office aus?
Thomas Dohme: Genau. Wir haben uns sehr früh dazu entschieden, zwei Drittel der rund 600 Beschäftigen bei Schweitzer Fachinformationen ins Home-Office zu schicken. Seitens unserer IT sind wir hier sehr gut aufgestellt. Innerhalb von drei Tagen haben wir es geschafft, dass alle mit entsprechenden Arbeitsgeräten – etwa Softphones – ausgestattet wurden und weitgehend normal arbeiten können. Ich bin sehr positiv überrascht, wie gut die virtuelle Zusammenarbeit funktioniert und kann mir vorstellen, dass die Nachfrage nach Home-Office-Möglichkeiten nach der Corona-Pandemie bei uns steigt.
Torsten Andrich: Dem kann ich mich nur anschließen. Das Team arbeitete bereits vor der Krise dezentral zusammen. Entsprechend sind wir wöchentliche Telefonkonferenzen gewohnt. Ich bin jedoch begeistert, wie gut der Austausch untereinander auch im Home-Office funktioniert.
Das ist schön zu hören. Wie gelingt es Ihrem Team, die Ansprechpartner in Zeiten von geschlossenen Universitäten und Fachhochschulen zu erreichen?
Torsten Andrich: Selbstverständlich können wir im Vertriebsaußendienst momentan keine Termine vor Ort wahrnehmen. Wir ersetzen diese durch Videokonferenzen mit unseren Kunden, um regelmäßig ein Bild von deren aktueller Situation und Bedürfnissen zu bekommen. Darüber hinaus verschickt unser Marketing nun deutlich mehr E-Mail-Newsletter zu den digitalen Übergangsangeboten der Verlage in Zeiten der Corona-Pandemie. Dieser schnelle Überblick über die verschiedenen Aktionen – seien es P-to-E-Angebote, kostenlose Freischaltungen oder Kurzzeit-EBS-Modelle – werden von allen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren sehr aufmerksam gelesen.
Ich vermute, dass Sie entsprechend viele Anfragen zu E-Books- oder Datenbanken-Angeboten erhalten. Wie nehmen Sie die momentanen Veränderungen von Gedrucktem zu Digitalem wahr?
Torsten Andrich: Wir merken deutlich, dass nun auch vermehrt die Institutionen digitale Produkte bestellen, die vorher ausschließlich Print-Titel bezogen haben. Besonders im Hinblick auf das weitestgehend präsenzlose Sommersemester werden Online-Inhalte verstärkt von Studierenden, Dozenten und Wissenschaftlern nachgefragt. Der „Druck von außen“ steigt und die Bibliotheken müssen somit mehr und mehr Online-Zugänge beziehungsweise Lizenzen erwerben.
Thomas Dohme: Die Corona-Pandemie hat den „Schub von Print zu Online“ erheblich früher beschleunigt und unsere Kunden kurzfristig vor enorme Herausforderungen gestellt. Durch das größere Angebot an Online-Veranstaltungen in den Universitäten und Fachhochschulen wird der nun in Gang gesetzte Prozess die Bibliothekswelt nachhaltig verändern, da sich auch das Nutzungsverhalten nachhaltig ändert. Allerdings bin ich mir auch sicher, dass sich das Medienspektrum der Verlage ebenfalls verändert. Sicherlich werden künftig weniger reine E-Book-Pakete geschnürt, sondern viel mehr multimediale und interaktive Lernplattformen entwickelt.
Durch eine solche Entwicklung werden sicherlich auch die Bibliothekslieferanten auf die Probe gestellt. Wie bereitet sich Schweitzer auf die steigenden Anforderungen seitens der wissenschaftlichen Bibliotheken vor?
Thomas Dohme: Wir werden in der Tat von unseren Kunden auf die Probe gestellt. Durch unsere E-Book-Services sind wir jedoch in der Lage, alle Anfragen zügig und aktuell zu beantworten.
Könnten Sie Ihre E-Book-Services für uns ein wenig konkretisieren?
Thomas Dohme: Sehr gerne. Unser Schweitzer Academic-Team besteht aus je einem Tandem aus Außen- und Innendienstmitarbeiter im Westen und Osten sowie im Norden und im Süden Deutschlands. Die Vertriebskolleginnen und -kollegen beraten unserer akademischen Kunden immer verlagsübergreifend sowie verlagsunabhängig und erstellen fair kalkulierte und individuelle Angebote. Neben den P-to-E-Abgleichen vermitteln sie außerdem Testzugänge für verschiedene Datenbanken und organisieren Webinare. Wir sind in der DACH-Region ein enger Partner der Aggregationsplattform ProQuest Ebook Central. Deshalb haben wir unter anderem einen eigenen Support, der sich ausschließlich um Kundenanfragen zur Erwerbung über Ebook Central kümmert. Ich möchte an dieser Stelle betonen, wie wichtig uns diese Partnerschaft ist. Durch die vielen aktuell laufenden Aktionen wie die ganzjährige P-to-E-Aktion oder die Initiative für Unlimited Access-Lizenzen unterstützen ProQuest und auch wir als Ansprechpartner für die deutschen Verlage viele wissenschaftliche Bibliotheken weltweit.
Torsten Andrich: Ergänzend zu den Worten von Thomas Dohme füge ich gerne noch einen weiteren Punkt hinzu, der uns bei unseren E-Book-Services am Herzen liegt: Eine transparente Darstellung aller E-Book-Erwerbungsoptionen. Wir bilden in unserem Webshop alle Erwerbungsmöglichkeiten bei den E-Books ab – seien es nun die Pick & Choose-Preise oder die verschiedenen Lizenzpreise in Ebook Central. Zusätzlich können die Titellisten der Verlage sowie die von uns erstellten Verlagssteckbriefe mit allen Erwerbungsoptionen kostenlos im Webshop heruntergeladen werden. So haben Bibliothekarinnen und Bibliothekare einen guten Überblick über die Bestellmöglichkeiten.
Ich könnte mir vorstellen, dass wir aufgrund der veränderten Situation ein neues, virtuelles E-Book-Team auf die Beine stellen – auch wenn das momentan noch Zukunftsmusik ist.
Thomas Dohme: Dem kann ich nur zustimmen. Wir haben jedoch bereits einige Software-Lösungen, die wir an dieser Stelle auch nicht vergessen sollten.
An welche technischen Möglichkeiten denken Sie hier genau?
Thomas Dohme: In erster Linie denke ich an unser Schweitzer Connect. Mit diesem webbasierten Tool können Bibliotheken ihre Medienbestände komfortabel verwalten. So haben sie beispielsweise die Möglichkeit, schnell auf alle Aufträge zu zugreifen und Änderungen direkt vorzunehmen. Das schafft eine gute Transparenz und Übersichtlichkeit. Die Nutzerinnen und Nutzer wissen sofort, welche Titel ihnen in welcher Auflage oder Medienform zur Verfügung stehen. Außerdem können sie die automatisierten Reports für ihre Auswertungen verwenden.
Torsten Andrich: In dem Zusammenhang möchte ich noch anführen, dass Ende vergangenen Jahres das Schweitzer Connect vollkommen neu designt wurde, was die Nutzung des Tools erheblich verbessert. Man kann nun über ein individuell konfigurierbares Dashboard alle Aufträge noch schneller finden, bearbeiten und verwalten. Die Schweitzer Lizenzverwaltung lässt sich im Übrigen optimal in das Schweitzer Connect integrieren. Somit haben Bibliotheken zudem eine gute Übersicht über ihre Lizenzverträge, Dokumente und Statistiken.
Thomas Dohme: Wir entwickeln unsere Software-Lösungen stetig weiter, damit unsere Kunden ihre Fachinformationen in einem optimalen Rahmen beschaffen, verwalten und nutzen können. Ich habe hier beispielsweise den Schweitzer Zeitschrifteninhaltsdienst oder den Schweitzer Neuerscheinungsdienst mit seinem Approval Plan im Blick. Solche Überlegungen und Weiterentwicklungen haben natürlich nicht direkt etwas mit der COVID-19-Pandemie zu tun, sondern sind generell von großer Bedeutung für uns und unsere Kunden.
Ich habe noch eine abschließende Frage: Wenn Sie einen vorsichtigen Blick nach vorne riskieren würden, was wünschen Sie sich dann?
Thomas Dohme: Ich spreche für alle, wenn ich sage, dass auch wir uns die Normalität zurückwünschen. Schweitzer Fachinformationen bedauert es sehr, dass der diesjährige Bibliothekartag in Hannover abgesagt wurde. Es ist für uns immer eine schöne Gelegenheit für einen inspirierenden Austausch mit den Bibliotheken und Verlagen, den man in der Form nicht ersetzen kann. Umso mehr hoffen wir, dass die Frankfurter Buchmesse im Oktober und auch unserer 10. Schweitzer E-Book Forum im November stattfinden können. Bei unserem E-Book-Forum stecken wir derzeit mitten in der Planung, während um uns herum andere, früher im Jahr datierte Veranstaltungen abgesagt werden müssen. Das hinterlässt einen merkwürdigen Beigeschmack. Ich wünsche mir sehr, dass wir alle die beispiellosen Auswirkungen dieser Pandemie gut überstehen und den längst begonnenen digitalen Wandel gemeinsam bestreiten. An dieser Stelle möchte ich mich für das Vertrauen unserer Kunden und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Schweitzer Fachinformationen bedanken. Das stimmt mich in diesen Zeiten optimistisch.
Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte im Auftrag von b.i.t.online:
Sarah Schmitz
Marketing Bibliotheken
Schweitzer Fachinformationen
Goethe + Schweitzer GmbH
Düsseldorf