„Sie haben doch jetzt länger Ferien, oder?”
Studiengang Informationswissenschaften an der HdM Stuttgart
und die Lehre in Zeiten von Covid-19
Magnus Pfeffer, Heidrun Wiesenmüller, Cornelia Vonhof
Das Corona-Virus hat auch im Studiengang Informationswissenschaften an der Hochschule der Medien in Stuttgart alles auf den Kopf gestellt. Kurz vor dem für den 16. März geplanten Start wurde der Semesterbeginn auf den 20. April verschoben. Blocktage mussten abgesagt, Studierende, Studienanfänger/-innen und Lehrbeauftragte informiert werden. Allerorten tauchten organisatorische Fragen und Probleme auf, z. B. bei den Studierenden, die derzeit im praktischen Studiensemester sind, und bei den Mitarbeiter/-innen, die ihre Arbeit ins Home-Office verlagern mussten. Die Studiengangsleitung und das ganze Team haben deshalb in den vergangenen Wochen so viele Mails ausgetauscht, Telefonate geführt und Webkonferenzen organisiert, dass uns allen geradezu der Kopf schwirrte.
Aber nun stehen wir vor der nächsten Aufgabe: Wir arbeiten an der Umsetzung der Lehre im Sommersemester, in dem für einen längeren, aktuell noch nicht genau bestimmten Zeitraum eine Präsenzlehre nicht möglich sein wird.
Die veränderten Rahmenbedingungen führen nun dazu, dass für jede Lehrveranstaltung eine neue Balance gefunden werden muss zwischen Inhalten, die sich die Studierenden durch Lektüre, Videos oder Übungsaufgaben selbst erarbeiten können und Inhalten, die in der Interaktion mit der/m Lehrenden und der Gruppe erarbeitet werden.
Glücklicherweise starten wir alle nicht bei Null. Semesterapparate und Ordner mit Kopiervorlagen gibt es bei uns schon lange nicht mehr; stattdessen ist es gelebte Praxis, dass zu jeder Lehrveranstaltung im E-Learning-System der Hochschule ein Bereich eingerichtet ist. In diesem werden zum einen Vortragsfolien, Auszüge aus Lehrbüchern, Links und teilweise schon Screencasts oder Videomitschnitte der Vorlesungen bereitgestellt; zum anderen gibt es dort Foren zum Austausch der Studierenden untereinander und mit den Dozent/-innen. Es können Umfragen durchgeführt, Gruppenarbeiten verteilt werden, Abgaben online durchgeführt werden oder man kann mit Online-Quizfragen den eigenen Lernfortschritt testen. Freilich haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass die Erstellung und Pflege der Online-Materialien einen erheblichen Aufwand bedeuten. Dieser wird nun an vielen Stellen noch intensiviert werden (müssen).
Auch zur Umsetzung von interaktiven Formaten im virtuellen Raum sind die Lehrenden im Studiengang gut gerüstet. Es stehen Lizenzen für Programme zum Aufzeichnen und Bearbeiten von Videos sowie für Videokonferenzen mit bis zu 300 Teilnehmer/-innen zur Verfügung. Da unsere Professorinnen und Professoren in vielfältigen Kontexten in nationale und internationale Strukturen eingebunden sind (z. B. durch internationale Forschungskooperation, Mitarbeit in Gremien und Berufsverbänden oder Koordination von Konferenzen und Zeitschriften), waren Videokonferenzen schon vor der aktuellen Entwicklung ein alltäglicher Teil unserer Arbeit. Der Einsatz in der Lehre bringt allerdings zusätzliche Anforderungen mit sich und manches muss man im neuen Setting erst einmal ausprobieren.
So wird es in jedem Fall eine gewisse Zeit dauern, die Lehrangebote unter den veränderten Rahmenbedingungen neu zu planen. Für viele Veranstaltungen werden in den kommenden Wochen bis zum offiziellen Vorlesungsbeginn erste Materialien zum Einstieg und zum Selbstlernen bereitgestellt werden, damit die Studierenden die Zeit sinnvoll nutzen können. Wir werden auch auf die Studierenden zugehen und abklären, ob bei allen die Voraussetzungen für eine Teilnahme an einer solchen virtualisierten Lehre überhaupt gegeben sind: Denn nicht überall gibt es schnelles Internet, nicht jeder hält sich dort auf, wo auch der eigene PC steht. Ganz zu schweigen von den vielen rechtlichen Fragen, die nach und nach auftauchen.
Überhaupt müssen auch Lösungen für die Koordination der Studierenden untereinander erprobt und diskutiert werden. Gruppenarbeit und die Arbeit in interdisziplinären Teams sind feste Bestandteile unserer Lehrangebote, die wir nicht einfach aufgeben werden. Es kann nicht sein, dass wir dieses Problem einfach an die Studierenden delegieren, mit der Bemerkung: „Sie haben da ja bestimmt schon eine Whatsapp-Gruppe”. Vielleicht haben viele diese tatsächlich schon, vielleicht ist es aber auch sinnvoll, über die Bereitstellung von virtuellen Orten für Besprechungen in Echtzeit untereinander nachzudenken, genauso wie Hochschulen reale Räume für Gruppenarbeit bereitstellen.
Vor uns steht ein schwieriges und herausforderndes, aber auch ein sehr spannendes Semester. Sicher wird manches nicht auf Anhieb so funktionieren wie gedacht und an einigen Stellen wird es nicht ohne Kompromisse gehen. Auch müssen wir damit rechnen, dass sich die Rahmenbedingungen im Laufe der kommenden Wochen immer wieder verändern und von Lehrenden wie Studierenden flexible Reaktionen erfordern werden. Aber: Wir sind zuversichtlich, dass wir dieses Semester gemeinsam gestalten und erfolgreich abschließen können.
Prof. Cornelia Vonhof
Studiengang Informationswissenschaften
Kontaktstudium Bibliotheks- und Informationsmanagement
Hochschule der Medien
Nobelstraße 10 | 70569 Stuttgart
vonhof@hdm-stuttgart.de | www.hdm-stuttgart.de/iw