TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek Hannover
Dr. Irina Sens und Prof. Dr. Sören Auer
Bereits Anfang Februar waren Meldungen über den Coronavirus Anlass für erhöhte Aufmerksamkeit in der TIB. Ursache waren Postsendungen aus Ostasien, die die TIB aufgrund ihres Sammelschwerpunktes Ostasien wöchentlich erhält. Hinweise auf Hygienemaßnahmen und Beobachten der WHO-Informationen sollten zunächst genügen, sorgten aber dafür, dass wir uns frühzeitig mit möglichen Auswirkungen beschäftigten.
Ende Februar gab es Planungen, wie eine große Zahl von Mitarbeitenden – die TIB hat ca. 550 Beschäftigte – im Homeoffice arbeiten können, wobei es schon seit längerem eine Ausweitung des mobilen Arbeitens gibt und es somit gute Grundvoraussetzungen gab. Auf der einen Seite mussten EDV-technische Vorbereitungen getroffen werden – dazu gehörten Server-Aufrüstungen und die Entscheidung private Endgeräte mit einem sicherheitstechnischen Mindeststandard zuzulassen – auf der anderen Seite mussten Tätigkeiten definiert werden, die im Homeoffice bearbeitet werden können und die ohne aufwändige Schulungen mit den Kenntnissen und Fähigkeiten des gehobenen und mittleren Bibliotheksdienstes umzusetzen sind. (s. Tabelle 1) Dies war vor allem notwendig für die Beschäftigten, deren Tätigkeiten nicht ins Homeoffice verlagert werden konnten – in der Industrie würde man vom Produktionsbereich sprechen.
Ergänzt wurde dies – auch in Abstimmung mit den Fortbildungs- und Weiterbildungsbeauftragten der TU91-Bibliotheken – um Online-Fortbildungskurse (s. Tabelle 2).
Parallel dazu wurden Dienstleistungen definiert, die weiter angeboten werden sollten und auch eine Vor-Ort-Tätigkeit erforderten.
Auch wenn die TIB sich mitten in der digitalen Transformation befindet – nach wie vor basiert beispielsweise die Dokumentlieferung oftmals auf Print-Vorlagen, teilweise aufgrund gesetzlicher Vorgaben, teilweise, weil vieles auch noch in Print erscheint, teilweise weil Rechteinhaber es nicht erlauben, die digitale Vorlage für die Dokumentlieferung zu nutzen oder diese langzeit zu archivieren.
Mit der Anweisung ab dem 13. März die Lernräume und Lesesäle zu schließen und vier Tage später die TIB komplett für Nutzer zu schließen, mussten auch die Vor-Ort-Services neu gedacht werden.
Eine Woche später wurden alle Mitarbeitenden in einer Online-Dienstbesprechung2 dazu noch mal informiert und hatten Gelegenheit, Fragen zu stellen, vorher war bereits regelmäßig umfassend von der Leitung informiert worden, insbesondere auch zu Fragen wie Zeiterfassung, Urlaubsregelungen, Kinderbetreuung während der Arbeitszeit etc.
Unter dem Gebot der Erhaltung der Gesundheit der Beschäftigten3 sowie der Sicherstellung der häuslichen Kinderbetreuung werden die Aufgaben aus drei Perspektiven betrachtet:
- Services als Zentrale Fachbibliothek für Technik und Naturwissenschaften
- Services als Universitätsbibliothek der Leibniz Universität Hannover
- Forschung und Entwicklung der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften
Services als Zentrale Fachbibliothek für Technik und Naturwissenschaften
- Die Aufrechterhaltung der Dokumentlieferung für akademische und kommerzielle Kunden. Einschränkungen gibt es nur im Buchversand ins Ausland sowie beim FullService, d. h. der Beschaffung von Literatur von anderen Bibliotheken. Immer mehr Bibliotheken auch im Ausland schlossen ihre Dokumentlieferangebote.
- Der Literaturerwerb inklusive der Formal- und inhaltlichen Erschließung wird in gleichem Maße fortgesetzt. Lieferungen werden entgegengenommen, hier sollte keine Einschränkung erfolgen, auch um den Lieferanten (Zahlungs)Sicherheit zu signalisieren. Geschäftsgänge wurden angepasst und flexibilisiert, sodass auch aus dem Homeoffice beispielsweise inhaltliche Erschließung möglich war.
Services als Universitätsbibliothek der Leibniz Universität Hannover (LUH)
Vorteilhaft erweist sich hier, dass ein umfassendes digitales Angebot bereitsteht, insbesondere für Technik und Naturwissenschaften. Zudem reagierten die Teams Zentrale Information sowie Kommunikation und Marketing sehr schnell mit täglichen Webinar-Angeboten „Aktuelles zu Diensten der TIB vor Ort sowie zu Recherche- und Zugriffsmöglichkeiten“, mit einer FAQ-Liste (Leihfristen, Bibliotheksausweis beantragen, Fernleihe etc.) sowie der Bereitstellung der rasch eintreffenden Angebote der Verlage, die den Angehörigen der Leibniz Universität verbesserte und einfache Zugangsmöglichkeiten bieten (s. Abb. 1).
In den folgenden Tagen nach der vollständigen Schließung für Nutzerinnen und Nutzer wurden weitere Angebote (re)aktiviert:
- Der campusinterne Kopienlieferdienst aus allen Standorten für alle Angehörigen der LUH.
- Ein Ausleihservice – auch für nicht verleihbare Literatur – für Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftlich Beschäftigte.
- Im Ausnahmefall wird auch der Kauf der Literatur durch den/die Dozent/-in ermöglicht, sofern die Literatur nicht elektronisch zu bekommen ist4.
Forschung und Entwicklung der TIB –
Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften
Die Forschung und Entwicklung der TIB arbeitet schon lange nach dem Motto „Zeit und Ort der Arbeit? Halb so wichtig […] Was zählt, ist doch was ,hinten rauskommt'.“5 Insofern stellte die Umstellung auf Homeoffice hier keine Herausforderung dar. Die Forscher und Entwickler der TIB haben sich natürlich Gedanken gemacht, wie ihre Arbeit auch die Bewältigung der Herausforderungen durch die COVID-19-Krise unterstützen kann. Dabei sind z. B. die folgenden drei Beispiele entstanden:
- Übersicht zu wissenschaftlichen Arbeiten zur COVID19-Basisinfektionsrate im Open Research Knowledge Graph6
- Kollaborativ in einem Booksprint erstelltes Handbuch zum Krisenmanagement, welches auch Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung adressiert7
- Knowledge Graph mit umfassenden Forschungsdaten zu COVID-9 (u. a. gemeinsam mit TwinCore Zentrum für Infektionsforschung)8
Diese Projekte wurden auch gemeinsam mit Teilnehmern im #EUvsVirus Hackathon Anfang Mai weiter vorangetrieben und werden nun sukzessive in die Dienstlandschaft der TIB integriert.
Fazit
Ein eingeschränkter Normalbetrieb wurde auch in der Hochphase der Krise aufrechterhalten. Dies gelang Dank einer hohen Motivation und Leistungsbereitschaft aller Beschäftigten sowie der Bereitschaft und Fähigkeit, Dinge neu zu denken, geänderte Prozesse einzuführen, Team- und Bereichsgrenzen zu überspringen oder zu durchtunneln und Aufgaben zu übernehmen, die sonst andere machen. Derzeit bereitet die TIB die weitgehende Wiedereröffnung aller Benutzungsdienste unter strengster Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln vor.
Dr. Irina Sens
Leitung Bibliotheksbetrieb
Foto: TIB/C. Bierwagen
Prof. Dr. Sören Auer
Direktor der TIB
Leitung Forschungsgruppe
Data Science & Digital Libraries
Foto: TIB/C. Behrens
1. TU9 ist die Allianz führender Technischer Universitäten in Deutschland: RWTH Aachen, Technische Universität Berlin, Technische Universität Braunschweig, Technische Universität Darmstadt, Technische Universität Dresden, Leibniz Universität Hannover, Karlsruher Institut für Technologie, Technische Universität München und Universität Stuttgart.
2. Es gab eine deutsch- und eine englischsprachige Veranstaltung.
3. Alle Kolleginnen und Kollegen über 60 Jahre sowie alle Beschäftigten mit Vorerkrankungen wurden ins Homeoffice „versetzt“, zunächst auch die Kolleginnen und Kollegen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, letzteres wurde wieder aufgehoben, sofern alle Kontaktverbotsmaßnahmen eingehalten werden können.
4. Der Dozent/die Dozentin kauft das Buch und legt nach Übergabe des Buches – wenn die Bibliothek wieder geöffnet ist – die Rechnung vor.
5. Zitat aus Ogrinz, Andreas: Digitale Transformation: nur Mut.
Nachrichten aus der Chemie (68), April 2020, S. 3.
6. https://blogs.tib.eu/wp/tib/2020/04/08/organizing-covid-19-research-with-the-open-research-knowledge-graph/
7. https://blogs.tib.eu/wp/tib/2020/04/09/accelerating-open-health-training-against-covid-19/