Jede Krise stellt natürlich auch Chancen bereit
b.i.t.online im Gespräch mit Prof. Dr. Dietrich Rebholz-Schuhmann, wissenschaftlicher Direktor von ZB MED zur Corona-Krise.
Sie sind Arzt und Informatiker und leiten ZB MED als wissenschaftlicher Direktor. Wie erleben Sie die Auswirkungen von COVID-19?
Für uns alle hat COVID-19 durchaus dramatische Auswirkungen. Das betrifft natürlich die Organisation der Arbeit aber auch die persönliche Wahrnehmung von Risiken durch unsere Kolleginnen und Kollegen, auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Wir habe natürlich große Anstrengungen unternommen, um unsere Dienste aufrechtzuerhalten, unter anderem um dem medizinischen Personal und insbesondere den Krisenstäben in den Kliniken möglichst viele und relevante Informationen zukommen zu lassen. Dies betrifft sowohl Fachliteratur als auch andere Datenquellen, die zur Verfügung stehen.
Wie sind Sie als wissenschaftlicher Leiter eines forschenden Informationszentrums inhaltlich mit COVID-19 und dem Lockdown umgegangen?
Die Arbeitsorganisation wurde bei ZB MED zwischen der Leitung und dem Personalrat abgestimmt und wir haben möglichst viele Aufgaben im Homeoffice erfüllt. Dies war nicht einfach, aber für einen Großteil der Belegschaft konnten wir Lösungen finden.
Viel interessanter war natürlich die Frage, ob wir neue oder erweiterte Dienste anbieten können, die in der Krise wertvoll sind. Dies hat dazu geführt, dass wir uns nach den aussagekräftigsten Datenquellen umgesehen haben. Die haben wir bewertet und dann über unsere Webseiten verlinkt und angeboten.
Sie haben bei ZB MED einen umfangreichen ZB MED COVID-19 Hub aufgebaut. Wie sind Sie vorgegangen?
Am Anfang vom COVID-19 Hub bei ZB MED stand ein Blogbeitrag, der initial die herausragenden Adressen im Web vorgestellt hat. Daraus ergab sich dann der COVID-19 Hub, der nicht nur Literatur sondern auch Datenquellen und nützliche Tools auflistet, bzw. den Zugang zu den Quellen ermöglicht. Hierdurch wird die Suche erleichtert und die Forschung kann den Überblick bewahren, über die verfügbaren Quellen.
Wer war beteiligt an dieser Arbeit?
Der Hub wurde im Team entwickelt, in dem das breite Spektrum an Kompetenzen von ZB MED eingebracht wurde. Kompetenzen aus der Bibliothek und dem Marketing, von den Forschenden, den Informationswissenschaftlern und IT-Experten. Innerhalb weniger Tage haben wir organisatorisch, inhaltlich und technisch den Hub vorbereitet und veröffentlicht. Seitdem haben viele Besucher davon profitiert.
Was unterscheidet den ZB MED COVID-19 Hub von anderen insbesondere auf Literatur ausgelegten Angeboten?
Ich denke, unser Angebot ist sehr umfassend und gut strukturiert. Wir haben die Datenquellen geprüft und haben sie so kategorisiert, dass Forschende und klinische Mitarbeitende den Überblick bewahren können. Wenn wir mal von den klinisch relevanten Literaturquellen absehen, konzentrieren wir uns auch auf Inhalte, die in der Datenanalyse, dem Forschungsdatenmanagement, der Genomsequenzierung und der Text Mining Community relevant sind. Natürlich haben wir unser Suchportal LIVIVO mit seinen umfangreichen Quellen auf die speziellen COVID-19 Suchanfragen eingerichtet.
Auf der anderen Seite müssen wir natürlich weiterhin beachten, dass wir primär als Informationsanbieter auftreten, d. h. wir unsere Angebote auf die Forschenden in Deutschland ausrichten. In der derzeitigen Phase leisten wir unseren Beitrag, um die Weichen für kollaboratives Arbeiten im Sinne von Open Science zu stellen.
Was sind Ihre gelernten Lektionen aus der Krise?
Jede Krise stellt natürlich auch Chancen bereit. Ich denke, bislang konnten wir unsere Leistungen gut aufrechterhalten und der Krise sogar mit neuen Inhalten begegnen. Ich bin sehr beeindruckt von den gemeinsamen Anstrengungen und der guten Teamarbeit bei ZB MED, die in kurzer Zeit zu einem hervorragenden Ergebnis geführt hat. Dies basiert natürlich auf den Vorarbeiten über die letzten zwei Jahre und auch auf der Abstimmung bei ZB MED über die verschiedenen Gruppen hinweg. Wenn wir auf diese Neuausrichtung vertrauen, dann können wir in Zukunft noch weitere Krisen meistern, ganz davon abgesehen, dass auch COVID-19 noch mehr von uns abverlangen wird. ZB MED wird sicher noch eine größere Rolle in der Entwicklung von Vorhersagesystemen spielen basierend auf den Informationen, auf die wir zugreifen können. Aber es ist noch etwas früh zu sagen, wie weit dies gehen wird.
Das Gespräch führte Elke Roesner.
Elke Roesner
ZB MED –
Informationszentrum Lebenswissenschaften
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